Die Strudlhofstiege by Heimito von Doderer

Author:Heimito von Doderer [Doderer, Heimito von]
Language: deu
Format: epub
Published: 2013-10-17T16:00:00+00:00

Es war hier, in diesen etwas zimperlichen Räumen, nicht ganz hell, eher kühl, gedämpft.

Honnegger sah, was sich vorzustellen er nie vermögend gewesen wäre (und das wurde ihm augenblicks deutlich): Pompejus weinte. Es war nur ein Andrang herauf, ein feuchtes Erglühen der Augen, eine gewaltsame, gewürgte Welle zurück, hinab: und vorbei.

»Denke«, sagte Honnegger, »daß du nicht weißt, was dir vielleicht erspart wird.«

»Ich denke, daß ich es weiß. Bin nie eine Sparkassa gewesen.«

Und bei alledem war Honnegger Etelkas Anwalt: eine Rolle, in welcher er sich selbst einst schwer hätte denken können. »Unser Pista ist ein grauer Mann, mitsamt seinen kastanienbraunen Haaren, er war es immer, nun kommt's heraus, was er ist, schon während der ganzen letzten Jahre, oder eigentlich, was er nicht ist, und nie war. Diese Frau wurde zum äußersten Widerspruche gereizt und hat sich solchergestalt das bewahren wollen, was sie in dieser seiner Luft nie mehr werden konnte. Daher der Exzeß. Diesen mußt du sehen, nicht daß Mannsbilder dabei sind. Jeder exzediert auf dem Instrument, das ihm zu spielen gegeben ist, die Frau natürlich in Liebesgeschichten. Aber ich halte das bei Etelka in diesem Falle für sekundär, sozusagen, mag das auch sehr paradox klingen. Wer ist schon dieser Imre?! Ein Nichts. Es handelt sich da gar nicht um ihn, und auch nicht um andere, die vermeinten, jetzt zum Zuge zu kommen. Aber hier ist wirklich eine Frau von Bedeutung in wilder Reaktion gegen die Diktatur der Banalität, und freilich zugleich im Absturze zum tiefsten Unrecht, in das sie sich selbst setzt. Was ich da meine, zeigt wie in Reinkultur, gleichsam als Präparat, ein Vorkommnis, das den Scheitelpunkt die ser ganzen Exaltation markiert hat und natürlich unabsehbare Folgen nach sich zog, leider auch für Pista, der's wahrlich nicht verdient … Sie mußten Gäste haben, am Fasor, aus irgendwelchen Gründen, aus geschäftlichen, wegen ihm; von auswärts war wer da; ich kannte die Leute nicht. Sie wurden zusammen mit hiesigen Bekannten geladen. Es war ein Souper mit zehn oder zwölf Personen. Etelka hat ja solche Sachen sehr gut gemacht. Überhaupt kann man sagen, daß sie und Pista in dieser Hinsicht ausgezeichnet – zusammen gearbeitet haben, in einer Art von – – kalter Ruchlosigkeit; im stillen hatt' ich das bei mir immer so genannt. Und eigentlich bewunderte ich es. Sie bedienten da die Apparaturen des Lebens mit richtigen Handgriffen, wie man einen Bade-Ofen bedient. O ja, sie hat schon ihre Beziehungen zu solchen Sachen gehabt, sie konnte auch eine graue Frau sein für einen grauen Mann. Durchaus. Aber eben nicht ausschließlich. Und das muß man, scheint es, ausschließlich sein können. Ein paar Tage vorher hat sie mich angefleht, doch zu kommen. Sie fürchte, es nicht auszuhalten. Ich müsse bei Tisch neben ihr sitzen. Mir sind derlei Veranstaltungen gräßlich und die wenigen, denen ich nicht entgehen kann, weitaus zu viel. Ich sagte aber zu. Ich hatte vielleicht das Gefühl, ein Unheil verhüten zu können, hierin täuschte ich mich allerdings. Nun, kurz: das Essen war noch gar nicht weit vorgeschritten, als sie plötzlich vom Tische aufsprang

Download

Copyright Disclaimer:
This site does not store any files on its server. We only index and link to content provided by other sites. Please contact the content providers to delete copyright contents if any and email us, we'll remove relevant links or contents immediately.